MuWa – das Odenwälder Haus



Auf verlorenem Posten, im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne: Die alten, für den Odenwald typischen Bauernhäuser, sind eine aussterbende Spezies. Grund genug, sich auf die Spurensuche zu begeben und das ans Tageslicht zu befördern, was noch da ist und was wir daraus (zb handwerklich) lernen können. Es ist in der Vergangenheit offensichtlich einiges schief gelaufen … nicht nur auf dem Lande, in den meisten deutschen Städten sieht es nicht besser aus!
“Verantwortlich für die Häuser und Neubauten waren Bauprojektführer, Geschäftsmänner, Architekten, Odenwaldverantwortliche und Familienoberhäupter, deren Köpfe aus unterschiedlichsten Gründen entweder vernagelt oder gleichgültig gegenüber dem Odenwald gewesen sein müssen. Es ist ein Rätsel, warum in dem an sich so schönen Odenwald fast ausnahmslos hässliche Häuser stehen, und wann immer ich dort bin, frage ich mich das aufs Neue: Wie konnte das passieren (Antonia Baum in der FAZ über die Odenwaldhölle?”
“Groß ist die Bedrohung, die alte bäuerliche Anwesen erfahren. Ihrer Funktion verlustig sind sie vom Abriß bedroht oder dem Verfall preisgegeben. So entstand am 20. Oktober 1980 auf Initia tive des Landtagsabgeordneten Manfred Pfaus (Buchen-Hettingen) und des Forstdirektors Herbert Müller (Walldürn) der „Förderverein Odenwälder Bauernhaus.“ In Zusammenarbeit mit der Stadt Walldürn und deren Bürgermeister Robert Hollerbach wurde das Projekt der Museumsstraße „Odenwälder Bauernhaus“ realisiert.”
Die Museumsstraße Odenwälder Bauernhaus,
Badische Heimatr 63 (1983), von Wolfgang Lermer, Walldürn
Das Bauernhaus des Odenwaldes und des südwestlichen Deutschlands, komplett als PDF, denn: “Es wird die Zeit kommen, in der wir mit all unserem Geld das nicht kaufen können, was wir heute noch sehen (Arthur Hazeluis).”
Preunschen, Buchen, Oberzent, überall: Artensterben Odenwaldhaus
Es geht auch anders. Die Alternative. Renovieren!

Mutter und Tochter im Selbstversorger-Modus. Sie renovieren ein altes Bauernhaus, leben weitgehend vom Garten und gehen ihre Lebenszeit bewusst ruhig an. Konsequent!

Alte Häuser erhalten und zeitgemäß aus- oder umbauen ist die Sache von Peter Amann. Sehr überzeugend geht der Schreinermeister die Sache an. Für mehr Lebensqualität.

Das Architekten-Ehepaar geht es professionell an. Das ist auch nötig, denn sie haben gleich ein Schloss gekauft. Ziemlich runtergekommen, aber mit Herz und Hand hat es geklappt!
Haus und Hof im Odenwald. Form. Funktion und Geschichte.

“Die 1984 vom Geographischen Institut der Universität Frankfurt als Dissertation angenommene Arbeit von Rolf Reutter über die ländlichen Haus- und Hofformen des Odenwaldes wurde für den Druck an vielen Stellen verändert, wie auch um einen größeren Abschnitt erweitert. Sie basiert auf jahrelangen Forschungen nicht nur vor Ort, sondern vor allem auch in den Archiven, deren Quellenbestände von der Hausforschung bisher kaum konsequent für ihre Untersuchungen fruchtbar gemacht wurden. Und darin liegt, dies sei schon vorweggenommen, das große Verdienst der Arbeit Reutters: sie demonstriert – natürlich nicht als erste, aber sehr deutlich – die Möglichkeiten, die die archivalische Überlieferung dem Hausforscher bietet. Selbstverständlich ist deren Nutzung mit nicht geringem Arbeitsaufwand verbunden, die erzielten Ergebniss entschädigen jedoch für die Mühen.” (Rolf Reutter, Geschichtsblätter Kreis Bergstraße. Sonderband 8. Lorsch, Verlag Laurissa 1987).
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Die Hauslandschaft des Odenwalds zwischen Rhein, Main und Neckar gehört nur zum kleineren Teil zum heutigen Bundesland Baden-Württemberg. Dieser südliche Teil des Mittelgebirges fand natürlich Berücksichtigung in den vor einigen Jahren erschienenen zusammenfassenden Darstellungen der Hauslandschaften bzw. des historischen Bauens und Wohnens in Baden-Württemberg.
Diese Überblicke mußten jedoch, indem sie in wesentlichen Teilen auf älterer Literatur beruhten, kursorisch bleiben, ihnen gegenüber läßt die breite Quellenlage Reutters fast zwangsläufig ergänzende und erweiternde und teilweise auch korrigierende Ergebnisse erwarten.
Reutters Untersuchung verfolgt in erster Linie einen geographischen Ansatz. Seiner Ansicht nach – und der kann man sich nur entschieden anschließen – ist es unerläßlich, daß sich die vier in der Hausforschung engagierten Fachdisziplinen „Volkskunde, Architektur (Baugeschichte), Geographie und Vorgeschichte zusammenschließen und eine gemeinsame Grundlage bilden” (S. 12). Offenbar nicht nur für seine Untersuchung nimmt er jedoch gegenüber der Vorgeschichte eine deutliche Ausgrenzung vor, nicht nur weil angeblich Grabungsresultate weitgehend fehlen und eine Zusammenarbeit bisher nicht stattgefunden hat, sondern insbesondere, weil das Ziel nur die Erklärung der gegenwärtigen Formen sein kann und diese in Süddeutschland höchstens in der Zeit der germanischen Landnahme unmittelbar wurzeln. An diesem Punkt jedoch erscheint ein Widerspruch angebracht.
Dieser bezieht sich nicht auf die Kritik einer Verlängerung der Hausforschung in die Vorgeschichte hinein, welcher durchaus zuzustimmen ist. Vielmehr scheint mir allein schon durch den Gebrauch des Begriffs „Vorgeschichte” eine ungerechtfertigte Beschränkung archäologischer Forschung auf die vorgeschichtlichen Perioden vorgegeben. Denn es ist doch gerade die Mittelalterarchäologie, die für die Zeit insbesondere vor dem 15. u. 16. Jahrhundert, in der die schriftliche Überlieferung allgemein und besonders für die Hausforschung noch sehr dünn ist, wichtige Ergebnisse liefern und wohl auch die eine oder andere der noch bestehenden zahlreichen Forschungslücken schließen kann. Entsprechende Forschungsergebnisse liegen bisher zwar nicht unbedingt in großer Zahl vor bzw. sind nur zum Teil publiziert, aber die Mittelalterarchäologie hat die Problematik zumindest erkannt und berücksichtigt sie in den letzten Jahren verstärkt. Es kann daher nicht angehen, die Archäologie bei der Formulierung eines Forschungsansatzes, der das Haus in formaler, funktionaler und historisch-genetischer Hinsicht zum Gegenstand hat, auszugrenzen. In einer eigenständigen Fachdisziplin „Hauskunde”, die Reutter propagiert, mü.te sie auf jeden Fall ihren Platz finden.
Im übrigen verwundert die von Reutter vorgetragene Sicht doch einigermaßen, bezieht er doch selbst nicht nur einmal auch Befunde archäologischer Grabungen in seine Darstellung ein bzw. spricht solche an.
Untersuchungsziele Reutters sind zum einen eine Typisierung des Bestands, zum anderen eine Klärung der Entstehung der gegenwärtigen Formen und zum dritten die Gewinnung eines statistischen und kartographischen Überblicks über den gegenwärtigen Bestand im Odenwald. Diese will er durch Feldforschung erreichen, die er nicht nur als Erforschung des rezenten Bestands faßt, sondern auch als Auswertung des Archivmaterials. Die formulierten drei Erkenntnisziele lassen jedoch die ganze Bandbreite der Untersuchung nicht erkennen.
In ihrem ersten Teil beschreibt Reutter das Erkenntnisziel seiner Arbeit, geht auf die Quellen, das Untersuchungsgebiet und die Geschichte der Hausforschung in diesem Gebiet ein, um abschließend die von ihm festgestellten drei Grundformen der Hauslandschaft Odenwald (Gehöft, Einhaus und Kleinhaus), über die sicher noch diskutiert werden kann, in je einem Beispiel vorzustellen. Der zweite Teil will die Entwicklung der Haus- und Hofformen von der germanischen Landnahme bis zur Gegenwart behandeln. Aufgezeigt wird das gesamte Spektrum ländlichen Wohnens, von der Hofreite und dem Wohnstallhaus bis hin zum Misthaufen.
Der dritte Teil verfolgt die Ursachen des baulichen Wandels. Allgemeine geschichtliche Entwicklungen wie die der Bevölkerung, die verschiedenen Baumaterialien und ihre Gewinnung, rechtliche Fragen und auch zahlreiche Aspekte der wirtschaftlichen Entwicklung werden angesprochen und erklären Ursachen der Entwicklungen im ländlichen Bauen. Der vierte Teil schließlich widmet sich der Vergesellschaftung und Verbreitung der ländlichen Hausformen im hessischen Odenwald.
Einen wesentlichen Bestandteil des Buches machen die 120 Abbildungen (Karten, Pläne, Repros, Fotos) im Anhang aus, die mit Registern, bibliographischen Angaben, Anmerkungen und Zusammenfassungen (auch in englischer und französischer Sprache) der Untersuchungsergebnisse den letzten Teil der Untersuchung bilden.
Abschließend sei nur noch auf ein Ergebnis Reutters kurz eingegangen. Eine wichtige Rolle in der älteren hauskundlichen Literatur zum Odenwald spielte der „Bau”, ein selbständiges Bauelement zahlreicher Odenwälder Höfe, das aus einem aus Steinquadern gemauerten Unterteil (Keller) und einem manchmal überkragenden Fachwerkstock besteht. In Abgrenzung zu den Gaden – selbständige mittelalterliche Hofspeicher, die im Odenwald zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert zu verschwinden scheinen und deren Funktion vom Dachspeicher des Haupthauses übernommen wird kommt Reutter durch seine eingehenden, nicht nur archivalischen Studien zu dem Ergebnis, daß der Bau von seiner ursprünglichen Funktion her kein Speicher war. Vielmehr wurde er seit dem 16. Jahrhundert als selbständiges Altenteiler- oder Taglöhnergebäude errichtet, im Einzelfall möglicherweise unter Verwendung eines alten Gadenkellerstocks.
Der Bau als Nebengebäude des Vollbauerngehöfts wird seit dem 18./19. Jahrhundert kaum noch als Altenteil genutzt, sondern zu einem Wirtschaftsgebäude umfunktioniert bzw. entwickelt sich zur Rumpelkammer.
Das von der älteren hauskundlichen Forschung gezeichnete Bild vom Bau hat sich somit verändert und deutlich schärfere Konturen erhalten. Dies nur als Beispiel für die Möglichkeiten, die eine konsequente Bearbeitung der Archivalien auch dem Hausforscher bietet.
Wolfgang Seidenspinner
Haus und Hof im Odenwald – Form, Funktion und Geschichte
[Geschichtsblätter Kreis Bergstraße / Sonderband 8]
REUTTER, Rolf / Arbeitsgemeinschaft der Geschichts und Heimatvereine
im Kreis Bergstraße (Herausgeber)
Bücher (Reprints) über Bauernhäuser
- Das Bauernhaus im Deutschen Reiche und in seinen Grenzgebieten, 1906, komplett als PDF
- Das Bauernhaus des Odenwaldes und des südwestlichen Deutschlands, komplett als PDF
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Zukunft Wohnen im Odenwald?
Kerstin Schultz hat gemeinsam mit ihrem Mann, Werner Schulz ein Architekturbüro in Reichelsheim und unterrichtet darüber hinaus als Professorin an der Hochschule Darmstadt. Als Wahl-Odenwälderin bringt sie sich an verschiedensten Stellen mit ihrer Kompetenz und ihrer besonderen Perspektive in der Region ein. Besonders interessant für Zukunft Wohnen ist ihr Fokus auf Bestandsbauten.